Politik: (L. Radtke)
Es gibt kein europäisches Staatsvolk – die nationalen Parlamente sind und bleiben die wahre Quelle demokratischer Legitimität in der EU!
Was war das für eine Aufregung, als der englische Premier David Cameron seine Europa-Rede gehalten hatte, ein Schock geradezu! Großeuropäer wie José Barroso oder der EU-Ratspräsident Herman van Rompuy reagierten mit lautem Schweigen. Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, konnte in einem Radio-Interview seine Empörung kaum zurückhalten, und Joseph Fischer (hätte das ZDF keinen besseren Interviewpartner finden können?) sprach mit zerfurchter Miene gar von einer drohenden Rückabwicklung der EU. Deutschlands gegenwärtiger Außenminister Westerwelle zieh den Briten-Premier gar der „Rosinenpickerei“ (was einfach nicht stimmt!)
Und alles, weil Cameron etwas (besonders für Europa-Politiker) Ungewöhnliches getan hatte – er hatte Klartext gesprochen. Er hatte die europäische Idee, die uns einst begeisterte (inzwischen sind leider unselige Jahrzehnte vergangen) wieder „vom Kopf auf die Füße“ gestellt, wie die Presse schrieb.
Was aber hat Cameron nun tatsächlich gesagt? Da fällt uns Bürgern die Antwort nicht leicht. Haben Sie denn irgendwo die Rede lesen können, die ganze Rede, so daß Sie sich ein eigenes Urteil bilden können? Falls nicht, was sehr wahrscheinlich ist – kein Problem. Sie können die Rede in der Anlage finden, leider nur in der englischen Originalversion, dafür aber in einer einfachen, klaren Sprache – auch nach Inhalt.
Diese Rede ist ein Dokument. Auf sie dürfte künftig immer wieder bezug genommen werden. Und angesichts der ersten Politiker-Reaktionen gehört nicht viel Phantasie dazu anzunehmen, mit welcher Tendenz – negativ, versteht sich. Sie paßt eben nicht in den Meinungsstrom der Berufseuropäer. Sie stört geradezu. Deren Selbstverständnis mit dem Ruf nach „Mehr Europa!“ ist schließlich gefährdet, und das mit guten Argumenten! Die Ablehnung wird nach dem gleichen Muster erfolgen, wie es vor wenigen Jahren bei dem Sarrazin-Buch „Deutschland schafft sich ab“ erprobt wurde: Erst empörte Ablehnung – dann kollektives Schweigen und Verdrängen der unwiderlegbaren Fakten! Und weil diese Fakten der Sache nach schwer zu widerlegen sind, gibt es nur drei Möglichkeiten: Sie „herunterschweigen“, sie kleinreden, oder gegen sie polemisieren. Welche „Ungeheuerlichkeiten“ will Cameron aber nun? Eine kurze Zusammenfassung:
> Die EU muß flexibler werden und ihre Wettbe- werbsfähigkeit steigern; (das aber verlangt schlanke Strukturen in Brüssel und nicht sklerotische Bürokratien, die den gemeinsamen Markt nur als Vorwand zur Gleichschaltung von allem und jedem mißbrauchen).
> Die Rückübertragung von Kompetenzen auf die nationale Ebene muß möglich sein;
> Die EU muß demokratischer werden; (nur ein „Europa der Vaterländer“, der souveränen und demokratisch verfaßten Nationalstaaten also, ist auch ein demokratisches Europa. Keinen sozialistischen Bundesstaat!)
> In eine zentralistische Union paßt England nicht hinein;
> Der Glaube, möglichst viel EU-Bürger sicherten automatisch Einfluß in der Welt, ist trügerisch; (Größe kann sogar hinderlich sein. Die Hitliste der Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Industriestaaten nennt 2012 die besten fünf: Schweiz, Singapur, Finnland, Schweden, die Niederlande – kleine Staaten also).
> Ohne wirtschaftlichen Erfolg rückt die EU an den Rand der Weltkarte; (doch hat der Wettbewerb kaum Freunde in Brüssel).
> Cameron will das Volk befragen; (das versetzt die Eurokraten geradezu in Panik. Ein Tabubruch!)
Es heißt also nicht mehr „Wir wollen unser Geld zurück“. Es heißt: „Wir wollen unser Land zurück!“ Cameron weist die aggressiv-arrogante Inbesitz-nahme Europas durch die „Rettungseuropäer“ und Nationalstaats-Abschaffer entschieden zurück.
Damit leistet er uns allen einen großen Dienst! Wir sind gut beraten, wenn wir ihn darin unterstützen – und dafür sorgen, daß die Cameron-Rede jetzt auf der europa-politischen Tagesordnung bleibt!