Euro (Teil I):
Was haben die „Warner“ vor der Euro-Einführung gesagt und geschrieben?
In einer „Euro“-Studie von Dr. Jens Ehrhardt für die Finanzwoche GmbH im Jahre 1997 heißt es u.a.:
…Konvergenzkriterien
…Die Altverschuldungsgrenze soll bei 60 % liegen. Da sogar stabile Länder, wie Holland, mit gut 78 % diese Grenze weit überschreiten und Italien in den nächsten Jahrzehnten nie eine Chance hätte, der Europäischen Währungsunion mit 130 % Altverschuldung beizutreten, hat man dieses wichtige Konvergenzkriterium bereits praktisch gestrichen. Man mutet also den Deutschen zu, die eigene Währung mit Ländern zu mischen, die eine Altverschuldung haben, die beim mehr als Doppelten der eigenen Verschuldung liegt.
Der Bundeskanzler behauptet ganz einfach, der EURO würde genauso stabil sein wie die DM, obwohl kein ernstzunehmender Wirtschaftswissenschaftler diese These unterschreibt. …
Wenn man für kurze Zeit die Neuverschuldung herunterfährt, wie in Südeuropa – und dabei noch von Belgien über Frankreich bis Italien Bilanzfälschungen verwendet (vornehm ausgedrückt „kreative Buchhaltung“, weniger vornehm auf englisch ausgedrückt „Euro-fudge“) – dann führt dies in keinem Falle zu einer Gemeinschaftswährung, in die die Welt Vertrauen setzt und die Stabilität bringt.
Frankreich läßt z.B. einen zweistelligen Milliardenbetrag in Höhe von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen an den Staat überweisen (was die Neuverschuldung Frankreichs im für Maastricht entscheidenden Jahr 1997 um 0,5 % senkt). Im Gegenzug übernimmt der französische Staat die Pensionsverpflichtungen des Unternehmens – ein Betrag, der beim Vielfachen der überwiesenen Summe liegt und die französische Staatsverschuldung längerfristig sogar beträchtlich erhöht. … Man könnte einen entsprechenden Vorgang auch ganz simpel als Betrugsversuch kennzeichnen. …
Andere Länder verkaufen ihre Goldreserven, um durch diesen Schritt die Verschuldung zu vermindern. Ebenfalls eine optische Täuschung. …
Andere Staaten verfallen auf den Trick „sell and lease back“ zur Bilanzschönung. Hier werden Vermögensgegenstände verkauft und dann zurückgemietet.
… Italien macht die ganze Sache noch viel offensichtlicher. Man führt jetzt eine 1-jährige „Euro-Steuer“ ein, um durch höhere Steuereinnahmen den Eindruck einer geringeren Neuverschuldung Italiens im Jahr 1997 erscheinen zu lassen. … (S.1 f.)
Ein weiteres extremes Risiko (dem wirtschaftlich praktisch keine positive Chance gegenübersteht) ist aus politischer Sicht die Gefahr, daß genau das Gegenteil von dem passiert, was Kohl sich für Europa wünscht (Frieden, Freiheit und vor allen Dingen Gemeinsamkeit). Europa würde mit großer Wahrscheinlichkeit auseinanderdividiert, und es gäbe erhebliche aggressive Spannungen zwischen den Völkern Europas, nachdem die Währungsunion durchgesetzt würde. Die Südeuropäer würden die Schuld an der wirtschaftlichen Depression in ihren Ländern sowie dem Anstieg der Arbeitslosigkeit der „Lokomotive“ zur Währungsunion (Kohl bzw. Deutschland) in die Schuhe schieben. Schon heute besteht die Befürchtung in Frankreich und Südeuropa, aber auch Großbritannien, daß eine Währungsunion nur ein verdeckter Versuch der Deutschen wäre, sich in Europa eine Vormachtstellung zu verschaffen. …(S. 5)
In Europa würde man über die Einführung eines „Euro“ versuchen, das System fester Wechselkurse für Südeuropa wieder einzuführen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß solche festen Wechselkurse zu einem wirtschaftlichen Desaster für alle Beteiligten führen können und keineswegs wünschenswert sind.
Fazit: Die Einführung des „Euro“ würde weder volkswirtschaftlich wachstumsmäßig, noch beschäftigungspolitisch dauerhaft positive Effekte haben. …
Wenn man nun eine einheitliche Währung für Europa einführen würde, gibt es in Südeuropa nur eine einzige Möglichkeit der Anpassung: Nominell rückläufige Löhne. Angesichts der relativ großen Macht der Gewerkschaften in diesen Ländern kann man sich vorstellen, was Lohnsenkungen (nicht nur real, auch nominell!!) in diesen Ländern für soziale Unruhen auslösen werden. Natürlich werden diese Länder die Schuld an dieser Entwicklung im Ausland (voraussichtlich in Deutschland als „Euro“-Lokomotive) suchen.
Eine zweite Möglichkeit wäre, daß die Arbeitskräfte aus diesen Ländern in Hochlohnländer der Europäischen Gemeinschaft, wie Deutschland, massiv abwandern, um der schnell steigenden Arbeitslosigkeit in Südeuropa zu entgehen. Während in den USA zwischen den einzelnen Bundesstaaten eine massive Wanderung in jedem Jahr stattfindet, ist dies in Europa praktisch nur in sehr geringem Ausmaß gegeben. … (S. 9) Aufgrund von inflexibler Mentalität und Sprachbarrieren sind entsprechende Wanderungen nicht zu erwarten. …
Es bleibt nur eine einzige, dritte Möglichkeit:
Ausgleichszahlungen werden die massiv in den früheren Schwachwährungsländern steigende Arbeitslosigkeit nach der „Euro“-Einführung ausgleichen müssen. Dieses einzige Ventil dürfte ähnliche, wenn nicht wesentlich höhere Ausmaße annehmen, als jetzt zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland. …
Ernstzunehmende Wissenschaftler gehen ganz klar davon aus, daß dieser Aspekt des „Euro“ in Europa zu einem Verfall der europäischen Idee und zu einer Eskalation von Feindseligkeiten zwischen den einzelnen Ländern führen wird. …
Die Versionen vom angeblichen Krieg, wenn der „Euro“ nicht kommt, dürfen eher wahr werden, wenn der „Euro“ eingeführt wird. … (S. 10)