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Notwehr/Nothilfe und Folterverbot – Entschädigung für einen Mörder (F.M. 10.2011)

Das Landgericht Frankfurt am Main hat dem Mörder und früheren Jurastudenten Gäfgen eine Entschädigung von 3.000 € zugesprochen, weil die Polizei ihm zur Rettung eines entführten Kindes Gewalt angedroht hatte, wenn er nicht den Aufenthalt des Kindes nennen würde. Das Kind, das er – zur Erpressung einer Millionensumme von den Eltern – entführt hatte, war von ihm zu diesem Zeitpunkt bereits ermordet worden, was sich erst später herausstellte.

Schon nach dem früheren Naturrecht durfte jeder zur Abwendung eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf sich (Notwehr) oder einen anderen (Nothilfe) die erforderliche Verteidigungshandlung vornehmen, die bis zur Tötung des Angreifers gehen darf, wenn dieser das eigene oder fremde Leben bedroht, weil das eigene Recht auf Leben nicht dem fremden Unrecht des Täters weichen muß.

Das Merkmal „Erforderlichkeit“ begrenzt die Verteidigungsmittel auf maximaldas zu schützende Rechtsgut entsprechende Maßnahmen, eine Überschreitung bleibt nur aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken straflos (heute §§ 32 ff StGB).

Die Polizei handelte daher rechtmäßig, weil sie ein höherwertiges Rechtsgut (Leben) schützen wollte; dies gilt auch deshalb, weil sie in einem unvermeidbaren Irrtum über Tatumstände war (sie wußte nicht, daß das Kind bereits tot war). Deswegen handelte es sich nicht um Folter, um z.B. sein Geständnis zu erpressen, sondern um Nothilfe, denn die Polizei wollte das Kind retten.

Demgegenüber ist das Folterverbot nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention eine allgemeine Bestimmung, die die konkretere Notwehr­regelung nicht außer Kraft setzt.

Auch die Berufung auf die Menschenwürde ist nicht geeignet, die traditionsreiche und ausgewogene Regelung des Notwehr- und Selbstverteidi­gungsrechts außer Kraft zu setzen, denn die Würde des Opfers hat nach der Grundidee des Rechts einen höheren Rang als die des Täters! Die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt – der Justiz – gebietet, daß sie nicht einer ausufernden und verwirrenden Gesetzesflut, sondern – wie es Art. 20 III GG fordert – dem Recht, d.h. der klassischen Rechtsidee, dient.

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